Russland bedroht Satelliten: Bundeswehr rüstet für Weltraum-Krieg

Russland bedroht Militär-Satelliten:Wie die Bundeswehr für Konflikte im Weltraum aufrüstet

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von Nils Metzger
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Russlands hybrider Krieg findet auch in der Erdumlaufbahn statt. Die Bundeswehr kann bislang wenig entgegensetzen. Mit Milliardensummen soll sie nun wehrbereit im Weltall werden.

Boris Pistorius

Deutschland und Europa hätten die Gefahr lange ignoriert, erklärt Weltraumexpertin Nötzold. Wenn sich Weltraumsysteme anderen nähren, sei das stets brisant.

26.09.2025 | 15:49 min

Es war eine Zeitenwende-Rede im Miniaturformat: Am Donnerstag sprach Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beim Weltraumkongress des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Sein düsteres Lagebild: Den hybriden Krieg, den Russland in Europa gerade zu Land, zu Wasser und in der Luft führt - der findet so auch Tausende Kilometer über uns in der Erdumlaufbahn statt. Bis 2030 will die Bundesregierung darum 35 Milliarden Euro in die Weltraumfähigkeiten der Bundeswehr und ihrer Partner investieren.

Der Weltraum ist nicht nur ein Ort der Wissenschaft und Visionen. Immer mehr Staaten nutzen ihn, um uneingeschränkt ihren geopolitischen Einfluss auszuweiten. Er ist ein Ort, an dem Konflikte und Bedrohungen sehr real sind.

Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

Ein Modell eines Raumschiffes. Es ist durchtig und steht mitten im Weltraumkongress.

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25.09.2025 | 1:35 min

Russland kundschaftet Bundeswehr-Satelliten aus

Und Pistorius nannte ein Beispiel, das seitdem weltweit Schlagzeilen macht: Zwei auch von der Bundeswehr genutzte Satelliten würden durch "russische Luch/Olymp-Aufklärungssatelliten verfolgt".

Diese vom russischen Geheimdienst FSB betriebenen Überwachungssatelliten sind keine Unbekannten. Seit dem Start des Exemplars "Olymp-K" im Jahr 2014 ist das rund drei Tonnen schwere Flugobjekt immer wieder in wenigen Kilometern Nähe zu westlichen Militärsatelliten aufgetaucht. Denn moderne Satelliten können selbstständig in der Erdumlaufbahn navigieren. Auch Frankreich hatte sich 2018 bereits öffentlich über "Spionage" beklagt.

"Wir beobachten dieses Verhalten von Luch/Olymp schon seit mehr als zehn Jahren und vermuten, dass es sich um einen Abhörsatelliten handelt", sagt Juliana Süß von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Dies hat natürlich Implikationen für die Kommunikation, die über diesen Satelliten abgewickelt wird."

Die Bundeswehr verlässt sich nicht nur auf einen Satelliten für ihre Kommunikation. Von daher ist dieser Vorfall erstmal keine Katastrophe für unsere Sicherheit, aber es zeigt ganz deutlich, dass Russland auch im Weltraum Grenzen austestet.

Juliana Süß, Stiftung Wissenschaft und Politik

DÄNEMARK-LUFTFAHRT-DROHNEN-VERTEIDIGUNG

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Welche militärischen Fähigkeiten haben andere Staaten im Weltraum?

Auch Antje Nötzold von der Technischen Universität Chemnitz betont im Gespräch mit ZDFheute live, dass diese Bedrohungslage nicht neu sei: "Es ist nur etwas, was Deutschland und Europa lange Zeit nicht oder zu wenig gesehen haben." Die USA, Russland und China seien seit einiger Zeit in einem "Rüstungswettlauf, um die Weltraumsysteme anderer Staaten stören oder zerstören zu können".

"Im Weltraum bewegen sich bereits kleinste Teile von der Größe eines Zentimeters mit acht Kilometern pro Sekunde", erklärt Nötzold.

Das heißt so ein kleines Teil von einem Zentimeter Größe hat die kinetische Wirkung einer Handgranate.

Antje Nötzold, Technische Universität Chemnitz

Ein Objekt dieser Größe wäre von der Erde aus unsichtbar. Für Angreifer die perfekte Gelegenheit, um ihre Verantwortung zu leugnen: "War es ein Unfall oder war es ein Angriff? Das sind Sachen, die wir von der Erde aus teilweise gar nicht aufklären können."

Das wirke sich etwa darauf aus, wie Staaten ihre Satelliten designen. Bislang sei es üblich gewesen, militärische Systeme primär auf wenigen, großen Satelliten zu gruppieren, sagt Nötzold. Die seien nun deutlich verwundbarer als viele kleine Systeme. "Starlink hat mittlerweile über 8.000 Satelliten in niedriger Erdumlaufbahn. Da ist der Effekt, wenn Sie ein oder zwei dieser Satelliten zerstören, wesentlich geringer."

Dürfen Satelliten im Krieg einfach abgeschossen werden?

Der von nahezu allen Staaten ratifizierte Weltraumvertrag von 1967 sieht zwar eine friedliche Nutzung des Weltraums vor, verbietet aber nur explizit die Stationierung von Atomwaffen im Orbit.

Die Legalität verschiedener Formen von Anti-Satelliten-Waffen wird von Fachleuten seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert - ohne eindeutiges Ergebnis. Kritiker verweisen auch auf die großen Mengen an entstehendem Weltraumschrott, die auch unbeteiligte Nationen in Gefahr bringen. Dennoch haben China, Russland, Indien und die Vereinigten Staaten bereits solche Waffen getestet.

AsterX

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"Russland hat bereits 2021 mit einer Anti-Satelliten-Rakete einen eigenen alten Satelliten zerstört - was wiederum zu Tausenden Bruchstücken führte, die ein Risiko für umliegende Satelliten und auch für die internationale Raumfahrt-Station darstellten", berichtet Expertin Süß. "Zudem haben wir russische Manöver beobachtet, die darauf hindeuten, dass Tests durchgeführt wurden, in denen Satelliten Projektile abfeuern, mit denen andere Satelliten ebenfalls beschädigt werden könnten."

Russland verfügt über ein ganzes Spektrum von Anti-Satelliten-Waffen und Maßnahmen.

Juliana Süß, Stiftung Wissenschaft und Politik

"Russland weiß wie abhängig der Westen, und vor allem die USA, von Weltraumkapazitäten sind, und dass sie hier nicht auf Augenhöhe sind. Daher setzen sie darauf, den Vorteil mit solchen Waffen zu unterbinden", betont Süß.

Was genau sind nun die Pläne für die Bundeswehr?

Wie sich die 35 Milliarden Euro genau aufteilen, ist noch nicht bekannt. Viele Planungen stehen erst am Anfang. Was Pistorius namentlich erwähnte:

  • Das Bundeswehr-Weltraumkommando bekommt ein eigenes Satelliten-Betriebszentrum, um im Ernstfall nicht auf externe Dienstleister angewiesen zu sein
  • Mit neuen Radaren, Teleskopen und sogenannten "Wächter-Satelliten" soll das Geschehen auf der Erde besser erfasst werden
  • Systeme im All sollen besser gegen gezielte Störungen geschützt werden, es brauche Redundanzen, etwa Ersatzsatelliten, um die Folgen von Ausfall oder Zerstörung zu begrenzen
  • Eigene Raketen und Transportkapazitäten, um ohne fremde Hilfe Objekte ins All zu bringen
  • Und der Minister forderte auch offensive Fähigkeiten Deutschlands im Weltraum, nannte hier aber keine Details

Sollten im Kriegs- und Spannungsfall Satelliten nicht zur Verfügung stehen, hätte das für das zivile öffentliche Leben, aber auch alle Teile der Bundeswehr verheerende Folgen. Soldaten könnten schwieriger kommunizieren, Schiffe navigieren oder Raketen ihr Ziel nicht mehr finden.

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Halten Experten diese Vorhaben für sinnvoll?

"Aktuell ist Europa äußerst abhängig von den USA im Bereich der Weltraum-Technologien für unsere Verteidigung, vor allem in den Bereichen Raketenfrühwarnung und militärische Aufklärung", sagt Süß. Die neuen Ankündigungen würden zeigen, dass man sich auch hier autonomer aufstellen wolle.

In diesem Sinne sind 35 Milliarden gar nicht abwegig - es gilt nämlich einiges aufzuholen.

Juliana Süß, Stiftung Wissenschaft und Politik

Auch Expertin Nötzold sagt: "Die Initiative von Pistorius ist essenziell und wichtig." Deutschland müsse sich jetzt überlegen, welche Fähigkeiten man national können muss - und wo man mit Partnern kooperieren wolle. "Es wird nicht funktionieren, dass man alles im Weltraum allein kann."

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